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Open Access (Quelle: Montage von Dietmar Kammerer auf Grundlage einer Fotografie von Alexander Sinn)

Open-Media-Studies-Blog

Nicht nur suchen und finden, sondern entdecken und erforschen

Dietmar Kammerer über das Open-Access-Repositorium media/rep/ als Werkzeug medienwissenschaftlicher Forschung

14.12.2020

Im März 2020 haben wir eine Online-Umfrage durchgeführt, die uns helfen sollte, die Funktionen, den Bestand und das Interface von media/rep/ weiter zu entwickeln. Allen, die daran teilgenommen haben, ganz großen Dank! Das Feedback hilft uns, das Repositorium für alle Nutzer_innen zu verbessern. Von besonderem Interesse für mich waren die freien Kommentare, die am Ende der Umfrage abgegeben wurden. Hier gab es lobende Worte, Nachfragen und Kritik. Für alle Kommentare, gerade auch für die kritischen, bin ich dankbar, schließlich habe ich keine Lust, ein Werkzeug zu entwickeln, das am Ende niemand nützlich findet.

Manche Themen oder Stichworte kamen in den Kommentaren häufiger vor. Ich will diesen Blogpost nutzen, um diese Themen genauer zu beleuchten, in Form eines (fiktiven) Interviews, das die - als Fragen umformulierten - Kommentare zur Grundlage hat. Ich will so eine Reihe von Überlegungen und Ideen zur weiteren Entwicklung des Repositoriums vorstellen. Ganz allgemein verfolgen wir mit media/rep/ das Ziel, etwas aufzubauen, das mehr ist als bloß ein Container, in dem Texte eingestellt und wieder abgeholt werden können. Idealerweise wäre media/rep/ ein Werkzeug, das sich in die größere Umgebung digitaler Tools für Forschung, Lehre und Publikation einbetten lässt und ein Gegenstand, der selbst lohnt, medienwissenschaftlich erforscht zu werden.

Es ist mir wichtig zu betonen, dass diese Überlegungen im Augenblick nicht mehr sind als das: manchmal recht konkrete Vorhaben, manchmal eher diffuse Ideen. Ob sie jemals umgesetzt werden und wenn ja, in welcher Form, hängt von vielem ab, nicht zuletzt von den technischen, personellen und finanziellen Möglichkeiten (sprich: Grenzen) des Projekts.

«Warum tauchen in den Suchergebnissen Dokumente auf, nach denen ich nie gesucht habe?»

Wer unter https://mediarep.org eine Suchanfrage stellt, löst in den dazu gehörenden Servern einen komplexen Mechanismus aus: Die Anfrage muss zuerst ihren Weg durchs System finden, dann wird eine Datenbank durchsucht, Treffer werden gewichtet, gefiltert, sortiert, aufbereitet und über den Webserver an den anfragenden Browser zurückgemeldet, um dort in einer mehr oder minder langen Ergebnisliste angezeigt zu werden. Was die_der Suchende dann damit anfängt - ob sie_er voller Neugierde jedes einzelne Ergebnis anklickt oder die Suche genervt abbricht -, kann von diesem Mechanismus, der dann abgeschlossen ist, nicht mehr beeinflusst werden. Dass Suchmaschinen ohnehin ein komplexes Ineinander von subjektiven Nutzergewohnheiten und technischen (und finanziellen, ideologischen, politischen usw.) Bedingungen sind, muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. In kleinem Maßstab könnte man all diese Annahmen und Thesen auch an media/rep/ veranschaulichen und untersuchen. Eine erste Erkenntnis wäre, dass man auch als Administrator einer Suchmaschine relativ wenig Einfluss darauf hat, zu welchen Suchergebnissen bestimmte Suchanfragen führen (es sein denn, man kann eine Armee von Programmierer_innen einsetzen) und beständig daran arbeiten muss, die Relevanz der Suchergebnisse weiter zu optimieren und anzupassen, was immer zu Kompromissen führt. Für Nutzer_innen ist es wichtig, die verschiedenen Optionen, die für eine Recherche im Bestand zur Verfügung stehen, zu kennen: Volltextsuche, Erweiterte Suche mit Filtern, Suche über Facetten (»Entdecke«), über Schlagworte oder über die Namen von Autor_innen. Alternativ ist es möglich, durch die geordneten Serien (d.h. die Zeitschriften, Schriftenreihen und Vorlesungen) durchzublättern. Wer die verschiedenen Möglichkeiten, Suchanfragen anzupassen und zu verbessern, kennenlernen will, wird in den FAQs fündig. Will man zum Beispiel nur im Archiv einer bestimmten Zeitschrift suchen, wählt man im Menüeintrag «Zeitschriften» erst die entsprechende Zeitschrift aus und wählt dann unter dem Suchfeld rechts die Option «In diesem Bereich» aus. Ein Diagramm zeigt und erklärt die einzelnen Funktionen im User Interface. Ein großer Teil (mehr als ein Drittel) der Nutzer_innen findet Texte auf media/rep/ ohnehin nicht durch den internen Suchmechanismus, sondern wird durch eine Suche auf Google Search oder Google Scholar auf mediarep.org weitergeleitet. Auch diese Schnittstelle zur größten Suchmaschine der Welt lohnt, genauer betrachtet zu werden. Manche Suchanfragen, die zu uns geführt gaben, sind erwartbar («medien definition», «filmanalyse»). Andere sind bedenklich («climate change is not a crisis», «crystal meths herstellung anleitung flasche», «mgtow»). Manche sind einfach nur seltsam («kantiger dampfer in hanglage»). Viele Anfragen bilden einfach nur das Web ab. Manche Besuche auf mediarep.org wurden durch eine Google-Suchanfrage nach «Porno» ausgelöst. Die eigentliche Herausforderung scheint mir aber weder in der Steigerung der Treffergenauigkeit zu liegen, noch in der Vervielfältigung der Optionen der Suche oder in längeren oder kürzeren Ergebnislisten, an denen man sich dann entlanghangeln kann. Sondern darin, Listen als Output von Suchmaschinen hinter sich zu lassen. Was ich mir vorstelle: die Möglichkeit, Suchergebnisse zu visualisieren: als Karten, Diagramme oder Graphen, die einem ein Feld des Wissens eröffnen und die vorhandenen Ressourcen (Texte, Videos, Informationen, Daten …) so darstellen, dass man sowohl zentrale Treffer (Häufungen, markante Punkte, Knoten) auf einen Blick erfassen kann als auch auf Entdeckungsreise gehen kann über Nebenschauplätze, entlegene Gebiete und weniger sichtbare Orte. Darstellungen, durch die, je nach Vorgabe, synchrone Beziehungen zwischen Ressourcen sichtbar werden oder zeitliche Entwicklungen. Freilich bringen Visualisierungen neue Probleme mit sich und es gibt wenig Beispiele, an denen man sich orientieren könnte.1 Dennoch wäre es interessant, media/rep/ als Labor für alternative Zugänge zu Information und Wissen zu verstehen.

ZORA: Visualisierung eines Autor/innen-Netzwerks (Quelle: ZORA)

«Könnte man in den Suchergebnissen die Treffer im Volltext anzeigen?»

Das geht und wir testen das (intern) bereits. Vorläufiges Ergebnis: Es hat Vor- und Nachteile. Die Darstellung der Suchergebnisse wird in der Regel zwar informativer, aber auch deutlich länger, weniger übersichtlich und Nutzer_innen müssen mehr scrollen. Bei retrodigitalisierten Texten wird zudem sichtbar, wenn die automatische Texterkennung (OCR) Worte nicht korrekt erkennen konnte. 

«Könnt ihr mich bei der Archivierung meiner Forschungsdaten unterstützen?»

Die Aufnahme und Archivierung von Forschungsdaten der Medienwissenschaft in das Repositorium ist für die zweite Laufzeit (2021-2024) des Projektes fest eingeplant. Hier reagiert das Projekt auf zahlreiche Anfragen aus der Fachcommunity, aber auch auf eine Veränderung der Forschungspraxis insgesamt, wie sie u.a. durch nationale Initiativen wie NFDI vorangetrieben werden. Innerhalb der NFDI wird die Medienwissenschaft durch das Konsortium NFDI4Culture vertreten, an dem auch die Universität Marburg (und damit auch media/rep/) beteiligt ist. NFDI4Culture wird, in enger Zusammenarbeit mit dem Forschenden, Standards, Formate, Tools entwickeln und testen.2

«Das Repositorium bildet nicht die internationale Breite des Faches ab. Wo sind die englischsprachigen Publikationen?»

Das Projekt wurde 2017 unter anderem gestartet, um die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit der deutschsprachigen Forschung zu verbessern. Hier gab es viele Publikationen, die zwar frei im Netz verfügbar waren, aber nicht zentral durchsuchbar, nicht in Bibliothekskatalogen erschlossen und/oder nicht langfristig gesichert. Diese Situation haben wir, auch durch die tolle Zusammenarbeit mit Redaktionen und Verlagen, seither deutlich verbessern können. media/rep/ hat schon jetzt viele internationale Ressourcen im Bestand - etwa die Zeitschriften NECSUS_European Journal of Media Studies (für die wir auch die PDFs erstellen), VIEW Journal of European Television History and Culture, Titel der Amsterdam University Press und andere mehr. In der kommenden Phase wird das Projekt aber systematisch auch internationale Publikationen aufnehmen. Hier haben wir – über Verzeichnisse wie DOAJ, DOAB oder OAPEN – bereits eine (sehr!) lange Liste von Titeln identifiziert, die wir ins Repositorium aufnehmen werden. Für weitere Hinweise und Vorschläge sind wir außerdem immer dankbar! Es freut uns zudem, dass wir seit Projektstart mehrere Anfragen deutschsprachiger, aber auch internationaler Zeitschriften erhalten haben, die von media/rep/ aufgenommen werden wollen.

«Für wen ist media/rep/ gedacht?»

Unser Ziel ist es, dass media/rep/ ein nützliches Instrument für viele wird: Für Autor_innen, die die Sichtbarkeit ihrer Publikationen erhöhen wollen; für Wissenschaftler_innen, die schnell und bequem Literaturrecherchen im Volltext durchführen wollen; für Dozent_innen, die medienwissenschaftliche Texte in der Lehre einsetzen und natürlich für Studierende des Faches.

«(Wie) kann ich eigene Texte einstellen?»

Hinweise zum Self-Upload haben wir in den Informationen für Autor_innen zusammengestellt.

«Der Export der Titeldaten in Citavi, Zotero, EndNote funktioniert nicht (so, wie er sollte)!»

Citavi, Zotero, Endnote verwenden leider verschiedene Techniken, um die bibliographischen Metadaten eines Titels automatisiert aufzunehmen und es ist nicht einfach (unmöglich), den unterschiedlichen Methoden und Standards dieser Tools gerecht zu werden. Eine zuverlässige Methode ist es, sich die Metadaten eines Dokuments einfach als BibTex-Datei ausgeben zu lassen (über den Button “Titeldaten” auf der Seite des Dokuments) und diese dann in Citavi, Zotero, Endnote usw. zu importieren. Was leider (noch) nicht geht: Aus der Liste der Suchergebnisse mehrere Titel auszuwählen, um anschließend die Metadaten zu exportieren.

«Könnt ihr Texte mir Rezensionen verlinken?»

Das machen wir schon! Das geschieht manuell, das kann (noch) kein Algorithmus. Es kann also immer sein, dass wir den einen oder anderen Text übersehen.

«Könnt ihr mehr ältere Texte zur Verfügung stellen?»

Unbedingt! Wir sehen media/rep/ nicht (nur) als Ort für aktuelle Publikationen der Medienwissenschaft - gewissermaßen als Schaufenster für die neueste Forschung -, sondern wollten von Anfang an auch die historische Tiefe und zeitliche Entwicklung des Faches abbilden und haben daher, wo es möglich war, Zeitschriften als komplette Archive aufgenommen (und ggf. retrodigitalisiert, wie den AugenBlick). In der kommenden Laufzeit wollen wir auch Klassiker des Faches aufnehmen, ggf. durch Retrodigitalisierung. So sind z.B. die Werke von Hugo Münsterberg, Walter Benjamin oder Béla Bálazs mittlerweile gemeinfrei und wir werden prüfen, ob und wie sich Werke dieser und weiterer Autor_innen aufnehmen lassen. Es gibt auch hier eine Menge historisches Material, das z.T. noch verstreut und unsortiert vorliegt. Auch wenn das Media History Project in diesem Bereich schon gewaltige Arbeit geleistet hat, aber eben vor allem nur für den englischsprachigen Bereich und mit einem m.E. etwas konservativen Medienbegriff. Dadurch kann sich freilich der Charakter des Repositoriums verschieben – Münsterbergs Photoplay war ursprünglich eine Studie und ist längst selbst Gegenstand zahlreicher weiterer Studien geworden, also Primärmaterial, dasselbe gilt bekanntlich für Benjamins Kunstwerkaufsatz. media/rep/ wäre also ein Ort für Forschungsergebnisse, aber auch Forschungsgegenstände. Als Medienwissenschaftler wäre ich persönlich auch dankbar zum Beispiel für kuratierte Sammlungen zu bestimmten Bereiche der Mediengeschichte. Man könnte Patentanträge zentraler Medientechnologen sammeln oder Publikumszeitschriften, wie im Media History Project. Als Dozent habe ich die Erfahrung gemacht, dass Studierende sich sehr für Mediengeschichte begeistern, wenn man sie mit Originalmaterial arbeiten lässt. So etwas liegt aktuell sicher noch jenseits des Sammlungsauftrages von media/rep/, aber, wie gesagt, media/rep/ könnte sich an solche Projekte anschließen.

«Was bringt die Zukunft?»

Was entsteht, wenn man unsere Daten mit denen anderer Archive – etwa mit dem filmportal oder dem Media History Project – nach den Prinzipien des Linked Open Data miteinander verknüpft? Was hätte das für Auswirkungen zurück auf das Projekt, wie würde sich media/rep/ weiterentwickeln? Diese Fragen zu beantworten, braucht erstens Zeit (und Ressourcen) und zweitens Ideen und Vorschläge von Kolleginnen und Kollegen aus dem Fach. Aktuell bewegt sich ziemlich viel im Bereich Open Science, Open Access, digitale Lehre, Forschungsdaten, Digital Humanities: Ich bin sicher, dass media/rep/ immer eine wichtige Rolle in diesem größeren Umfeld spielen wird, so lange es im engen Austausch mit der medienwissenschaftlichen Community steht

  • 1Das Repositorium der Universität Zürich (ZORA) etwa stellt relevante Begriffe aus den Abstracts als farbige Cluster dar («TrendTerms») und bildet Autoren-Netzwerke ab. Montana State University stellt elektronische Hochschulschriften als «Sunburst»-Diagramm dar. Vgl. Zhehan Jiang & Sarah Rose Fitzgerald (2019) Promoting Institutional Repositories via Visualizations: A Change-Point Study, New Review of Academic Librarianship, 25:1, 95-112, DOI: 10.1080/13614533.2018.1547775.
  • 2Zu Forschungsdaten in der Medienwissenschaft vgl. den Themenschwerpunkt “Digitale Praktiken”, montage AV, 29/1/2020. Zu NFDI4Culture vgl. Reinhard Altenhöner u.a.: NFDI4Culture - Consortium for research data on material and immaterial cultural heritage, in: Research Ideas and Outcomes 6: e57036. DOI: https://doi.org/10.3897/rio.6.e57036

Bevorzugte Zitationsweise

Kammerer, Dietmar: Nicht nur suchen und finden, sondern entdecken und erforschen. Dietmar Kammerer über das Open-Access-Repositorium media/rep/ als Werkzeug medienwissenschaftlicher Forschung. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/nicht-nur-suchen-und-finden-sondern-entdecken-und-erforschen.

Die Open-Access-Veröffentlichung erfolgt unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 DE.