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Debattenbeitrag

Meinungsfreiheit, rechtspopulistische Netzwerke und nazifreie Universitäten

Zum Seminar «Denken und denken lassen» von Prof. Dieter Schönecker

14.12.2018

Seit nunmehr gut zwei Monaten, seit Oktober 2018, dominiert eine heftige Auseinandersetzung um das vom Philosophie-Professor Dieter Schönecker organisierte Seminar samt Vorlesungsreihe mit dem Titel «Denken und Denken lassen: Zur Philosophie und Praxis der Meinungsfreiheit» den Alltag an der Universität Siegen. Die ganze Universität ist mittlerweile polarisiert und zerfällt in begeisterte Zustimmung, heftige Abwehr und einen großen Teil von Unentschiedenen. Die Lehrveranstaltung ist ein Experiment praktischer Philosophie. So sieht es Herr Schönecker. Die Experimentalanordnung ist leicht beschrieben:

S. lädt im Rahmen einer Lehrveranstaltung eine Reihe polarisierender rechtspopulistischer Redner ein und provoziert Widerspruch. Da es sich um ein Seminar handelt, welches sich der Philosophie und Praxis der Meinungsfreiheit widmet, hält S. an der Einladung der von ihm ausgewählten Redner fest. Hierfür liefert eine dreifache Begründung: Er tut dies, (1) weil er es darf, geschützt durch die Meinungsfreiheit sowie die Wissenschaftsfreiheit; (2) weil die von ihm eingeladenen Redner im Besonderen und rechtes Denken im Allgemeinen seines Erachtens Opfer einer «sozialen Tyrannei» und somit einer Beschneidung ihrer Meinungsfreiheit geworden seien; und (3) weil man die Positionen der Redner nur so einer Prüfung vor dem «Gerichtshof der Vernunft» unterziehen könne und gegebenenfalls sogar etwas lernen werde. Die bedingungslose Durchsetzung der Veranstaltung wertet S. als Sieg der Meinungsfreiheit und die Kritik an seinem philosophiepraktischen Experiment als Zeichen der «Entblödung» seiner Kritiker.

Als Hauptfiguren seines durchaus wohlinszenierten Dramas hat Herr Schönecker einige sehr kontroverse Figuren auserkoren: Marc Jongen, «Chef-Philosoph» der AfD und Mitglied des Bundestags; Thilo Sarrazin, Autor unter anderem der Bücher Deutschland schafft sich sb und Der neue Tugendterror; Egon Flaig, Althistoriker und neben Sarrazin einer der Unterzeichner der «Gemeinsamen Erklärung 2018» gegen «illegale Masseneinwanderung» sowie nicht zuletzt Norbert Bolz, das selbsternannte enfant terrible der deutschen Medienwissenschaft.

Herr Schönecker stellt sich selbst als Opfer einer linken Zensur dar, weil ihm von Dekanat seiner Fakultät Mittel für die Honorare für Jongen und Sarrazin verweigert wurden und weil der AStA kurz vor Semesterbeginn die Absage der Veranstaltung gefordert hat. Herr Schönecker hat es bis zum heutigen Tag geschafft, eine weitestgehend affirmativ auf ihn bezogene Debatte über Meinungsfreiheit für sich zu gewinnen, als wäre der Täter das Opfer einer Unterdrückung geworden. So schreibt Thomas Thiel in der FAZ über die «Insulaner auf dem Campus» von einem «Denkverbot» an der Universität Siegen und bemängelt, «die Redefreiheit von Andersdenkenden beginnt für die Leitung der Universität Siegen manchmal außerhalb der eigenen Mauern».

In der ZEIT solidarisiert sich die Philosophie-Professorin Maria Sybilla-Lotter ebenfalls mit Herrn Schönecker und unterstellt unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundespräsident a.D. Joachim Gauck, die beide die Einladung von Herrn Schönecker, als Vortragende teilzunehmen, abgelehnt haben, «sie [wollten] nicht mit einer Kaste der Unberührbaren in Verbindung gebracht werden». Außerdem wirft sie Schöneckers Kritikern vor: «Wer mit etwas ‹Rechtem› assoziiert wird, ist erledigt; er ist schon auf eine abschüssige Bahn in Richtung Neonazi geraten.» Auf die «abschüssige Bahn» kommen wir noch zu sprechen – sie ist sehr steil und rutschig.

Das Problem dabei: Eine Meinungs- oder Redefreiheit wurde dem Dozenten nirgendwo verweigert, auch vom AStA nicht. Alle diese Sätze, die man zu Dutzenden in Zeitungsartikeln, Blogs und einer Flut von Siegerländer Leserbriefen findet, beruhen auf Fiktionen oder sind selbst Fiktionen. Die Wissenschaftsfreiheit wurde explizit hochgehalten. Die Vortragsreihe findet statt, alle Redner werden sprechen. Nur gesonderte Mittel der Fakultät werden Herrn Schönecker für die Honorare für Jongen und Sarrazin nicht zur Verfügung gestellt. Er hat aber weiterhin andere Mittel zur Verfügung, um den beiden ein Honorar zu zahlen; das Honorar für Bolz und Flaig wird aus Fakultätsmitteln beglichen. Herrn Schönecker geht es allerdings um ein (rechtlich strittiges und bisher nicht recht nachvollziehbares) Prinzip, und er erweckt den Eindruck, dass er auch für 1.000€ gegen die Universität vor Gericht ziehen wird. Nicht nur seine Unterstützer in den alten Medien, sondern auch die rechtsradikale Blogosphäre machen dabei aus einer juristischen Detailfrage eine Grundsatzdebatte, die sie für ihre Zwecke politisch wenden.1

Worum geht es also? Um Meinungsfreiheit? Um den Kampf gegen Unterdrückung? Keineswegs! Die Philosophie und Praxis der Meinungsfreiheit dient Herrn Schönecker nur als Vorwand, um extrem polarisierende und bei kritischer Befragung wenig überzeugende Positionen mit Verweis auf Grundrechts- und Prinzipienfragen unanfechtbar zu machen. Das Muster ist aus dem free speech-Diskurs in den USA wohlbekannt, wo dieser Diskurs von der alt-right perfektioniert und systematisch missbraucht wird, um neue Universitätsorte zu erobern. Unter dem Deckmantel eines Kampfes für einen der Eckpfeiler unserer Demokratie wird ein Seminar für Bachelorstudierende der Philosophie zur politischen Bühne auf der Herr Schönecker den von ihm eingeladenen Gästen den Hof macht, ohne sie (bislang) auch nur ansatzweise selbst mit kritischen Fragen herauszufordern. Das Argument, auch rechtes Denken vor dem «Gerichtshof der Vernunft» prüfen dürfen zu müssen, stand im Zentrum des Beitrags, den Herr Schönecker am 6. Dezember 2018 selbst im Rahmen der Veranstaltung gehalten hat. Herr Schönecker sieht sich selbst als Liberalen2 und stützt sich argumentativ auf Lektüren von Kant (insb. den kategorischen Imperativ), von Karl Popper (zur offenen Gesellschaft und ihren Feinden) sowie amerikanische Rechtsphilosophen, die das First Amendment sehr liberal interpretieren. Aber es gibt in Deutschland keine mit dem First Amendment vergleichbare juristische Grundlage. Die Kampagne prallt daher auf eine ganz anders gelagerte bundesrepublikanische Ausgangslage, aber auch auf ein Publikum, das sich bereits jahrelang an die amerikanische Auffassung gewöhnt hat und nicht mehr bereit ist, die Sondersphäre der universitären Vorschriften und Umgangsformen zu respektieren.

Im deutschen Grundgesetz ist das Recht auf Meinung und das Verbot von Zensur in Art. 5 Abs. 1 fest verankert, in Abs. 2 werden jedoch Einschränkungen «in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre» festgelegt. Im Strafgesetzbuch gibt es in dieser Hinsicht zum Beispiel Einschränkungen in §130 mit Bezug zu Volksverhetzung oder im §189 mit Bezug zur Verunglimpflichung des Andenkens Verstorbener, wobei §194 insbesondere hervorhebt, dass Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes in dieser Hinsicht besondere Rechte zukommen. Hinzu kommt, dass das Grundgesetz hier das Recht auf Meinungsfreiheit von Bürgern gegenüber dem Staat regelt, nicht zwischen Bürgern. Einzelne Bürger_innen, wie auch die Kritiker_innen von Herrn Schönecker haben einfach nicht die Mittel, seine Meinungsfreiheit einzuschränken, und das ist natürlich auch gut so. Und trotzdem redet Herr Schönecker unentwegt davon, dass andere Leute genau das tun, obwohl seine Rede nirgendwo beschnitten wurde und seitenlang in der FAZ und stundenlang im lokalen Campus-Radio zur Geltung kommt. Es muss schwer auszuhalten sein, so viele Privilegien zu verwalten und auszuspielen, wie sie einem deutschen Professor zugestanden werden, denn es entsteht dabei allem Anschein nach eine Empfindlichkeit, die jede Form von Protest bereits als «Einschränkung» oder «Zensur» bewertet.

Das Verhältnis zwischen Herrn Schönecker und seiner Universität ist auch nicht einfach durch das Recht auf Meinungsfreiheit definiert. Das Beamtenstatusgesetz schützt die wissenschaftliche Freiheit, aber eben auch nur bedingt. Die Grenze der Immunität wissenschaftlicher Thesen ist zum Beispiel überschritten, «wenn der Ausbildungs- und Achtungsanspruch, der allen Studierenden gleichermaßen zukommt, verletzt wird, zum Beispiel durch Herabsetzung oder Ausgrenzung einzelner Personen oder Gruppen.» Entspricht es noch einem Achtungsanspruch, wenn Herr Schönecker seine Kritiker (und ganz explizit adressierend auch eine weibliche Nachwuchswissenschaftlerin mit Migrationshintergrund) als «Feinde der Freiheit» beschimpft? Und zwar nur dafür, dass sie eine Resolution vertreten, in der mit Verweis auf die «Charta der Vielfalt» die Wertschätzung aller Mitarbeitenden der Universität «unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität» eingefordert und die Ausladung von Jongen und Sarrazin gefordert wird?

Herr Schönecker und seine Kollegen scheren sich nicht um die gesetzlichen und politischen Grundlagen der Bundesrepublik und ihrer Universitäten. Sonst wüssten sie, dass der Protest gegen einen Redner nicht als Einschränkung der Meinungsfreiheit einzustufen ist, wie das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ganz eindeutig geklärt hat. Die Bezeichnung «Feinde der Freiheit», die Herr Schönecker gegen alle Kritiker seines Seminars verwendet, ist damit juristisch und politisch absolut überzogen. Sie wüssten auch, dass  Bundeskanzlerin Merkel nicht gegen die Verfassung verstoßen hat, als 2015 geflüchtete Menschen nicht an der deutschen Grenze aufgehalten wurden, wie der Europäische Gerichtshof höchstrichterlich entschieden hat. Trotzdem wurde dieser rechtsradikale Mythos in der Vorlesung von Norbert Bolz durch Gerd Morgenthaler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Siegen3, hochschulöffentlich wiederholt. Einige Juristen mögen mit der Entscheidung des EuGH hadern und juristische Gründe anführen können, die ihre Zweifel untermauern. Aber um Argumente, Erörterungen und Abwägungen geht es in der Lehrveranstaltung kaum. Einzig Meinungen zählen und ‹die wird man ja noch sagen dürfen›. Ob dies dem Ausbildungsanspruch der Universität gerecht wird, bleibt fraglich.

Der Export der free spech-Debatte aus den USA zielt demnach darauf ab, in Missachtung der bestehenden Rechtslage in Deutschland eine Debatte anzuheizen, die nur Rechtsradikalen zugute kommt. Dies ist ein zweiter Aspekt, der deutlich wird, wenn man sich anschaut, wie Schöneckers Selbstinszenierung als Freiheitskämpfer aufgegriffen wird. Hier muss man in guter medienwissenschaftlicher Manier nur den Akteuren folgen, die Schönecker folgen. So lieferte sich der vom «Bildungsforscher» und selbsternannten Kämpfer für Männerrechte gegen den «Gender-Sumpf» Michael Klein betriebene Blog ScienceFiles ein Pingpong mit Thomas Thiel bei der FAZ. Erst hetzt ein Beitrag von ScienceFiles gegen die «Gesinnungswärter», die den Besuch von Jongen und Sarrazin verhindern wollen. Es folgt der bereits genannte Artikel von Thiel in der FAZ, der wiederum wohlwollend bei ScienceFiles zitiert wird und Klein dazu bringt festzustellen, dass sich einige deutsche Universitäten «immer mehr zu ideologischen Gefängnissen» entwickeln. In einem weiteren Beitrag legt Klein noch zu und spricht von «linken Schmierkampagnen gegen Wissenschaftler». Dann lässt die FAZ Herrn Schönecker persönlich schreiben und gibt ihm eine halbe Seite an prominenter Stelle. Erst dann veröffentlicht sie den längst vorher geschriebenen Leserbrief seines Dekans, dessen Einwände durch Schöneckers später geschriebene Ausführungen (Überraschung!) zum Teil schon beantwortet wurden.

Wenn man das alles so gerade noch erträglich findet, dann sollte man an dieser Stelle besser keine weiteren Spuren verfolgen. Denn ScienceFiles verlinkt unter anderem auf den Blog Philosophia Perennis, der von David Berger betrieben wird.4 Dort zeigt sich der Diskurs in seiner entfesselten Form: An der Universität Siegen finde eine «Gleichschaltung» statt, die die Vorträge von Jongen und Sarrazin verhindern wolle. Auf den Begriff der Gleichschaltung, den das nationalsozialistische Regime verwendete, um Andersdenkende, Demokraten und Juden zu verfolgen und insgesamt den Pluralismus der deutschen Gesellschaft auszulöschen, kommen wir gleich noch zurück – leider ist er uns nochmal begegnet. Philosophia Perennis verweist wiederum positiv auf einen Beitrag von Henning Zoz, Mitglied der AfD, der «unsere Demokratie am Abgrund» sieht, meint, Merkel trete «täglich unsere Verfassung mit Füßen», und: «Deutschland ist zunächst einmal das Land der Deutschen».

Berger und Zoz zelebrieren wiederum einen in der Siegener Zeitung am 5. Dezember 2018 von sieben Professoren veröffentlichtes «Plädoyer für Wissenschaftsfreiheit». Zu den Unterzeichnern gehören Prof. Morgenthaler, von dem wir ja schon gehört haben, sowie die emeritierten Professoren Ulrich Penski und Wolfgang Hinrichs. Herr Penski schreibt oft für die Junge Freiheit, zum Beispiel über Nation und Grundgesetz: «Das Grundgesetz ist als Verfassung für den Staat des deutschen Volkes in Kraft gesetzt», wobei das Volk «als politische Gemeinschaft... als eine Abstammungsgemeinschaft aufgefaßt werden» muss.5 Da darf man sich fragen, wer zu dieser «Abstammungsgemeinschaft» gehört und demnach in den Genuss des Rechtes auf Meinungsfreiheit kommen darf.

Aber weiter. Herr Hinrichs hat Herrn Schönecker nach seinem Vortrag am 6. Dezember 2018 dazu gratuliert, insbesondere mit der Begründung, er hätte sich ja damals schon gegen die «68er» verteidigen müssen, die ihn aus der Universität schmeißen wollten. Er schrieb früher auch gerne mal für die Junge Freiheit, zum Beispiel gegen den deutschen «Bildungsdünkel« und für die Wiederbelebung «unserer Kulturbasis … die christlich-religiöse und christlich-weltkulturelle Handwerks- und Kunstgesittung Europas» als Grundlage einer Bildungspolitik die mit «aufgeschlossenem Identitätsbewußtsein» fremden Einwanderern in der Integration begegnet. Die Junge Freiheit versteht sich als Sprachrohr der Neuen Rechten, und wurde im Umfeld der Burschenschaften gegründet und aufgebaut. Die Burschen saßen dann auch bei Herrn Schönecker im Hörsaal.6

Herr Schönecker bezeichnet seine Einladung von rechten Denkern zwar klar als «politischen Akt», möchte aber keine Verantwortung dafür übernehmen, dass er als «Liberaler» Rechtsextremen eine Plattform bietet. Wenn sie diese nutzen, dann sei er nicht für die Konsequenzen verantwortlich.7 Diese Position ist absolut untragbar, denn dass Herr Schönecker in dem oben kurz skizzierten Netzwerk, das von Rechten bis hin zu Rechtsradikalen und Rassisten reicht, einen wichtigen Knotenpunkt für den Angriff auf die Universität spielt, kann er und darf er nicht ignorieren oder verleugnen. Dass Herr Schönecker selbst auch nicht immun oder neutral gegenüber diesen Personen, ihrem Netzwerk und ihren Diskursen ist, hat er dann zuletzt selbst bewiesen.

Als er darauf angesprochen wurde, was er von Marc Jongens Ankündigung der «Entsiffung des Kulturbetriebs» hält, antwortete er wie folgt: «Zur Entsiffung des Kulturbetriebs. Ja, schlimme Äußerung, einverstanden. Und: was folgt daraus? Ich habe mehrmals schon gehört wir sollten die Universität Siegen nazifrei halten. Nazifrei? Das ist sehr nah bei judenfrei.» Dieses «sehr nah» macht deutlich, dass Herr Schönecker selber meint, es finde eine Gleichschaltung der Universität durch seine Kritiker statt. Und ein Vergleich zwischen Nazis, die Juden im Holocaust systematisch vernichteten, und Linken, die die Universität von Nazis frei halten wollen, zeigt, dass Herr Schönecker und das sich mit ihm solidarisierende Netzwerk von Rechtsradikalen zu einer Verharmlosung und Relativierung des Nazi-Terrors beitragen, indem sie Täter mit Opfern gleichstellen und die Gewalt des Nazi-Regimes mit ganz normalen Prozessen der Meinungsbildung in einer Demokratie auf eine Stufe stellen. Vielleicht nicht ganz zufällig hatte Herr Jongen einen Tag zuvor von «Linksfaschisten» gesprochen, um die «Stasi-Methoden» des Zentrums für politische Schönheit zu beschreiben.8

Nicht nur durch diese Relativierung des Nationalsozialismus verschieben die Herren Jongen und Sarrazin zusammen mit der rechtsradikalen Blogosphäre, ermutigt von Herrn Schönecker, den politischen Diskurs in Deutschland. Mit dem Versuch, den Diskurs der Meinungsfreiheit und die Praxis der «free speech campaign» aus den USA zu importieren, stellen sie die Grundannahme des deutschen Staates, dass die Demokratie nie wieder mit demokratischen Mitteln abgeschafft werden darf und kann, in Frage. Dieser rechtsradikale Missbrauch des Diskurses der Meinungsfreiheit muss bekämpft werden. Die Rechten und Rechtsradikalen haben dafür – nicht zum ersten Mal – eine Universität als Schauplatz ausgewählt, und es ist an den Mitgliedern der Universitäten, sich dagegen zu wehren.

Mit Dank an unsere Kollegen im Medienwissenschaftlichen Seminar der Universität Siegen und allen anderen, die sich wehren.

  • 1Der Philosoph stilisierte sich lieber als Opfer, statt einfach einen anderen Geldtopf zu verwenden, der ihm ohne weiteres zur Verfügung steht. Dabei nutzte er eine der vielen Besonderheiten des Universitätslebens aus: Er klagte wochenlang bei allen Zeitungen über das ihm zustehende Geld, während seine Vorgesetzten und Dienstaufsichts-Führenden zur Verschwiegenheit verpflichtet waren – schließlich sind das Personalia und deren Verlautbarung gegenüber Dritten ist justiziabel. Liebe Heldenverehrer in den Feuilletons und philosophischen Seminaren: Ihr seid einer Seifenblase hinterhergelaufen, die jeden Moment platzen kann, denn Ihr habt den Täter und Provokateur zum Opfer und zum Freiheitskämpfer stilisiert. Aber ihm fehlen gar keine Freiheiten, und ihm fehlt auch kein Geld. Was fehlt ihm denn dann? Die persönliche Motivation des Philosophen bleibt undurchsichtig, denn sie wird von ihm bewusst undurchsichtig gehalten. Im persönlichen Gespräch hat er allem Anschein nach schon lange angekündigt, er werde an der Universität und ihrer Gesellschaft ein praktisches Exempel statuieren, nämlich, wie intolerant sie wirklich sei.
  • 2«Er selbst sei in ethischen Fragen zwar sehr konservativ. Abtreibung? moralisch falsch. Ehe? Nur zwischen Frau und Mann. Kopftuch? Nicht gut. Schönecker hält sich dennoch für liberal – was ihm sogar die Antifa in Siegen attestiert», so die ZEIT.
  • 3Morgenthaler ist auch Sekretär der Oswald-Spengler-Gesellschaft. Spengler war Autor von Der Untergang des Abendlandes und ein Fan von Benito Mussolini.
  • 4Berger wurde «wegen zu offener Islamkritik» als Chefredakteur eines «Homomagazins» entlassen – https://philosophia-perennis.com/david-berger/.
  • 5Ulrich Penski, Nation und Grundgesetz: Nicht auf der Wanderdüne, in: Junge Freiheit 11/17, 10. März 2017.
  • 6Zu rechtsradikalen Burschenschaften siehe https://www.zeit.de/campus/zeit-germany/2018/01/alt-right-frat-house.
  • 7So argumentierte Herr Schönecker in der Diskussion nach seiner Vorlesung am 6. Dezember 2018.
  • 8Vgl. dazu https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/soko-chemnitz-100.html.

Bevorzugte Zitationsweise

Beverungen, Armin; Burkhardt, Marcus; Seitz, Tatjana: Meinungsfreiheit, rechtspopulistische Netzwerke und nazifreie Universitäten. Zum Seminar «Denken und denken lassen» von Prof. Dieter Schönecker. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Debattenbeitrag, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/debattenbeitrag/meinungsfreiheit-rechtspopulistische-netzwerke-und-nazifreie-universitaeten.

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Free speech und rechter Populismus