Der wissenschaftliche Nachwuchs in der Medienwissenschaft hat sich organisiert und die «Kommission für gute Arbeit in der Wissenschaft» ins Leben gerufen, um die in Deutschland für alle Fächer noch unsichereren beruflichen Beschäftigungsverhältnisse als in anderen Ländern zu kritisieren, Analysen und Vorschläge zu unterbreiten.
Im Oktober 2017 hat die Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Medienwissenschaft einen «Kodex für gute Arbeit in der Wissenschaft» verabschiedet, in dem Leitfäden für die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen, Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, Gleichstellung und Diversität sowie für die Mitbestimmung formuliert werden. Der Kodex befindet sich zur Zeit im Umlauf an den medienwissenschaftlichen Instituten und Studiengängen, soll dort diskutiert und in Form einer appellativen Selbstverpflichtung unterzeichnet werden.
Die geltenden Regelungen zur Befristung von Mittelbaustellen (sowie eines großen Anteils von Folgestellen, Junior- und anderen Professuren) erlauben kaum eine Berufs-, Lebens- oder Familienplanung (siehe DHV, die informative und pointierte Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, SZ/Groebner oder dem Statistischen Bundesamt, S.184). Führt diese Prekarität, zusammen mit möglichen Abhängigkeiten durch die Dissertationsbetreuung, zu ‹schlechter Arbeit (und schlechtem Leben) in der Wissenschaft›?
Im Mai 2016 kommentierte die Hochschulrektorenkonferenz den «Nachwuchspakt», der 1.000 Stellen mit Tenure Track schaffen soll, als unzureichend: «Bedarfe nicht ausreichend getroffen». In Frankfurt gründete sich im Frühjahr 2016 die alternative Hochschulgewerkschaft "unter_bau" – für alle Statusgruppen außer Professor_innen; erste Streiks waren erfolgreich. Im Januar 2017 gründete sich das bundesweite "Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft" in Leipzig (mittelbau.net). Im Februar kommentiert Jule Specht von der Jungen Akademie: 1.000 Tenure Tracks sind nicht genug, Bundesprofessuren müssen her.
Ein Jahr nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit der Begrenzung der Befristung von Verträgen werden hauptsächlich Schlupflöcher geschaffen, resumiert der Tagesspiegel (14.2.2017). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlicht im Februar 2017 die statistischen Daten zur Lage Promovierender und Promovierter im «Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017». An Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gerichtet, fordert das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft: «Über Beschäftigung in der Wissenschaft nicht ohne die Betroffenen reden!» (15.3.2017.)
Die Debatten aus der ZfM Nr. 14 und 15 (Hefte 1 und 2/2016) wurden online und in Nr. 16 (zur Situation der Lehrbeauftragten und der Postdocs) fortgesetzt. Michaela Wünsch berichtet im Sommer 2017 von der Situation in den USA. Themen in Nr. 17: Andreas Stuhlmann über die «Sackgasse Privatdozentur?» – PDs und ihre Lehrverpflichtung; über die «Alien-Sprache» für Race in Academia sprechen Luzenir Caixeta und Azadeh Sharifi mit Katrin Köppert, und in Heft 18 reflektieren Auszüge aus der Zeitschrift crip magazine die Arbeitsbedingungen von gesundheitlich eingeschränkten Wissenschaftler_innen (Elisabeth Magdlener: Crip Time, Doris Arztmann: K_eine Zeit).
Ein Bericht aus us-amerikanischer und britischer Perspektive: I am glad I eschewed a career in academia, von Nazima Kadir, 31.7.2017; ein Bericht zur Organisation an us-amerikanischen Hochschulen: Sie kommen, um sich zu beschweren, in: Freitag, Nr. 41/2017, 18.10.17.
Weitere Linktipps:
Stellungnahme von Beschäftigten aller Berliner Universitäten zur Räumung des TU-Audimax am 18.06.2018 durch die Polizei, Offener Brief, 21.6.2018
Lehrstühle abschaffen - Forderung der Linkspartei im Sächsischen Landtag, 27.9.2017
Konferenz: "War die Zukunft früher besser? Akademische und außerakademische Berufsperspektiven in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften", Schader Stiftung Darmstadt, mit umfangreichem und spannendem Programm, 9./10.2.2017
Peter Grottian: Der Mittelbau macht mobil, in: SZ, 5.2.2017
Zur Situation in GB und den USA: Negotiating Precarious Positions: Strategies for Working As and With Adjuncts, and Other Non-Tenure-Track Faculty Positions in Cinema and Media Studies, Einleitung der HerausgeberInnen, oder: Charles Burnett, “New Weapons” for the Precariat in Film and Media Studies, beide in: Cinema Journal Teaching Dossier, Bd. 4 (2), hg. v. Beth Corzo-Duchardt, Dawn Fratini, Isabel Pinedo, September 2016)
Kommentare
Es ist sehr erfreulich, dass es in der GfM diese Debatte um gute Arbeit in der (Medien)Wissenschaft gibt. Ich setze mich nicht zuletzt als Gewerkschaftsmitglied schon seit mehreren Jahren für gute Arbeit in der (Medien)Wissenschaft ein und war auch an einem Papier der Initiative 25% akademische Juniorpositionen beteiligt.
Ich danke Eva Hohenberger für ihre Ausführungen, denen ich mich nur anschließen kann. Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen und der betrifft meine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Schon mehrfach wurde mir von Freunden und Bekannten aus der Medienwissenschaft mitgeteilt - oft aus Sorge, mitunter aus Verwunderung - dies bei Bewerbungen auf Professuren besser nicht zu erwähnen, ja es am besten erst gar nicht öffentlich zu machen. 2014 wollte ich im Zuge des Lehrbeauftragten-Aktionstags in Mainz eine Aktion organisieren. Von einem Kollegen der GEW wurde mir mitgeteilt, dass sich niemand gefunden habe, daran teilzunehmen, weil die Angst, die eigene Stelle zu verlieren, überwiegt.
Wenn Universitäten Institutionen sind, die Protest unterbinden, indem sie Angst erzeugen, und Professoren dabei eine prominente Rolle spielen, stellt sich die Frage, ob es so wünschenswert ist, zu den Kandidaten einer "Bestenauswahl" (Engell) zu zählen. Denn was bedeutet es vor diesem Hintergrund, zu den besten zu zählen?
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